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Löschen, Sperren und Ahnden: Rund ums NetzDG

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Es ist ein Objekt massiver Kritik: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz NetzDG), das Betreiber großer Sozialer Netzwerke zur Einhaltung bestimmter Verfahrensregeln verpflichtet. Aber: viele Kritikpunkte laufen fehl – während andere unterschätzt bleiben. Eine stark vereinfachende Übersicht.

Seit Jahresbeginn gilt das ganze Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die Übergangsfrist für die Umsetzung der Regelungen für Meldungen, Löschungen beziehungsweise Sperrungen und andere Pflichten für die Betreiber von Netzwerken endete zum Jahresbeginn.

Was ist das NetzDG?

Kurz gesagt: die Betreiber besonders großer Schwarzer Bretter im Internet müssen nun nach einem bestimmten Verfahren in spätestens sieben Tagen entscheiden, ob ein Zettel dort hängen bleiben darf, wenn ihnen jemand mitteilt, dass es sich dabei um eine Straftat handeln könnte.

Kommen mit dem NetzDG erstmals Prüfpflichten für Betreiber Sozialer Netzwerke?

Nein. Bereits in der sogenannten „E-Commerce-Richtlinie“ aus dem Jahr 2000 ist definiert, dass die Anbieter von Speicherplatz im Netz zwar grundsätzlich freigestellt sind von Haftung für die Inhalte Dritter. Das meint auch Betreiber Sozialer Netzwerke. Aber wie so oft bei der juristischen Verwendung des Wortes grundsätzlich heißt das nur: in der Regel. Und die kennt Ausnahmen – hier beginnt die ganz konkret mit der Kenntnisnahme eines Inhalts. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass jemand auf rechtlich problematische Inhalte hinweist. Ab dann muss sich ein Anbieter – ob groß, ob klein – zu einem Inhalt verhalten: Stehenlassen, löschen, sperren. Er ist mit dieser Entscheidung dann auch dafür mitverantwortlich.

Ist das NetzDG damit nicht eigentlich überflüssig?

Es gibt Juristen, die das so sehen. Im Kern regelt das NetzDG spezifischer, wie seitens der Betreiber vorgegangen werden muss, wenn der Verdacht besteht, dass ein Inhalt nach bestimmten Strafgesetzbuchparagrafen rechtswidrig ist. Dazu gehören auch Informationspflichten gegenüber Meldenden und Betroffenen und Dokumentationspflichten für die Betreiber. Gerade die Dokumentation kann auch in möglichen Strafverfahren später eine Rolle spielen. Mit dem NetzDG haben diese jedoch unmittelbar nichts zu tun.

Wäre das alles nicht Aufgabe von Ermittlungsbehörden und Gerichten?

Es sind private, kommerzielle Plattformen – und für die Einhaltung ihrer „virtuellen Hausordnung“ sind immer zuerst die Betreiber zuständig. Das gleiche Prinzip gilt übrigens auch in der sonstigen Welt: schmiert ein Unbekannter zum Beispiel ein Hakenkreuz an eine öffentlich einsehbare Scheibe, muss dieses dennoch von demjenigen beseitigt oder verdeckt werden, dem diese Scheibe gehört.

Ermittlungsbehörden und Gerichte müssen davon unabhängig versuchen, den Täter zu ermitteln und zu belangen. Diese Zuständigkeitsaufteilung ließe sich ändern, wenn man wollte. Das aber wäre ein massiver Systemwechsel.

Müssen Netzwerk-Betreiber mit dem NetzDG auch vorab Inhalte prüfen?

Nein.

Betrifft das NetzDG jedes Forum?

Nein. Die Vorgaben aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz betreffen nur solche Anbieter, die (Gesetzesauszug):

[…] mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.

Außerdem sind journalistisch-redaktionelle Angebote ausgenommen und ein Netzwerk muss mindestens zwei Millionen Nutzer in Deutschland haben, damit die Vorschriften des NetzDG für es gelten.

Drohen den Firmen Bußgelder, wenn sie Beiträge nicht löschen?

Die Bußgeldvorschriften nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz sind ausschließlich auf die organisatorischen Pflichten der Betreiber anwendbar. Würde ein Unternehmen systematisch Meldungen ignorieren, seine Mitarbeiter nicht wie vorgeschrieben schulen oder andere Organisationspflichten vernachlässigen, drohen hohe Bußgelder – bis zu 50 Millionen Euro.

Keine Sanktion sieht das NetzDG vor, wenn beispielsweise ein einzelner Facebook-Beitrag fristgerecht geprüft wurde, die Prüfung aber zum Ergebnis hatte, dass dieser rechtlich zulässig sei und in einem späteren, davon unabhängigen Strafverfahren eine andere rechtliche Bewertung erfolgt.

Wer darf melden?

Das Gesetz fordert, dass die Betreiber „Nutzern ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zur Verfügung stellen“. Nach Auffassung des für die Durchsetzung zuständigen Bundesamtes für Justiz meint das sämtliche Nutzer – nicht nur die registrierten Nutzer einer entsprechenden Plattform.

Wird mit dem Gesetz geregelt, ob oder wie Nutzerkonten gesperrt werden?

Nein. Dazu gibt der Text nichts her. Nutzersperrungen sind juristisch gar nicht explizit geregelt. Die meisten Netzwerkbetreiber haben hierzu in ihren Nutzungsbedingungen, die Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind, Regelungen vorgesehen. AGB-Recht wiederum ist ein Feld für sich: oft sind Vertragsklauseln rechtlich unzulässig, wenn sie für die Nutzer unerwartete Inhalte haben. So wäre – als Extrembeispiel – eine in den Nutzungsbedingungen versteckte Eigentumsübertragung von Haus und Hof unzulässig, auch wenn sie in den Nutzungsbedingungen enthalten wäre. Auch Sperrungen müssen von den Betreibern also in den AGB/Nutzungsbedingungen nachvollziehbar begründbar sein.

Habe ich einen Anspruch auf meine Meinungsfreiheit gegenüber Facebook, Twitter und Co?

Zumindest keinen unmittelbaren. Die Meinungsfreiheit, zu der auch die Meinungsäußerungsfreiheit gehört, ist in der Regel kein Anspruch der gegenüber einem privaten Unternehmen geltend zu machen ist. Sondern gegenüber dem Staat und seinen Institutionen. Hier liegt allerdings auch ein möglicher Angriffspunkt gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz: durch das Gesetz – so ließe sich argumentieren – wird durch staatliches Handeln der Anreiz gesetzt, im Zweifel zu Löschen statt stehen zu lassen.


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